Meditation – durch Achtsamkeit und Konzentrationsübungen soll sich der Geist beruhigen und sammeln. So oder so ähnlich steht es in jedem beliebigen Ratgeber über dieses Thema. Mal etwas ausführlicher, mal etwas kürzer, jedoch der Sinn oder viel mehr das Ziel ist
immer dasselbe: „Innehalten, zentrieren, die innere Mitte finden und Kraft tanken“.
Vielleicht sollte ich etwas weiter ausholen, etwas mehr über mich, meine Person und die Hintergründe zu meinem Ansatz der meditativen Fotografie erzählen! Ich bin durch meinen kleinen Sohnemann im Jahr 2005 wie die Jungfrau zum Kinde zur Fotografie gekommen, beziehungsweise mein kleiner Sprössling war zu schnell für meine damalige Hosentaschenkamera. Mein Sprössling ist jetzt schon fast so groß wie ich und in den letzten Jahren hat sich einiges in meinem Leben geändert, sowohl fotografisch wie auch gesundheitlich.
Mit der Geburt meines Sohnes hat sich ganz leise eine kleine dunkle Wolke in mein Leben geschoben. Anfangs konnte ich sie nur schemenhaft wahrnehmen, konnte diesem dunklen Ding jedoch keinen Namen geben. Es kamen Tage, in denen sich diese kleine dunkle Wolke unweigerlich in ein großes schwarzes Monster verwandelt hat. Und ohne fachliche Hilfe würde ich heute immer noch nach dem Namen für dieses schwarze Monster suchen. Mittlerweile darf ich dem Monster einen Namen geben: depressive Episoden. Und ja, ganz ohne dieses Monster kann ich bis heute noch nicht leben. Mal ist es größer als ich, mal ist es kleiner als ich – ich arbeite an mir und mit mir, damit dieses Monster irgendwann nicht mehr permanent mein Leben bestimmen wird und ich kleine schöne Momente auch wieder in bunt genießen kann.
Wie gesagt bin ich durch meinen Sohnemann zur Fotografie gekommen und ich war von der ersten Sekunde von diesem Medium sehr angetan. Ich saugte alles auf, was ich darüber finden konnte. Magazine, Internetseiten, Dokumentationen und Filme. Auch habe ich anfangs von der Ameise bis zum Zitronenfalter alles geknipst, was sich nur annähernd nicht zu bewegen schien. Gedanken habe ich mir – leider – dann immer erst hinterher gemacht, was sich natürlich auch in der Qualität widerspiegelte, sowohl in der Bildqualität wie auch in der Bildsprache! In meiner Anfangszeit entstanden viele Farbfotos, mit der Zeit und mit meinem schwarzen Monster im Nacken habe ich jedoch die Schwarzweißfotografie sehr zu lieben gelernt. Für mich liegt hier mehr Ausdruck in den Tiefen, die Anmutung ist zeitloser und mir gelingt es hier mehr, meine Seele mit einem Foto in Einklang zu bekommen.
Für mich gehören Ruhe, Entspannung und Fotografie unweigerlich zusammen. Ich genieße es, allein durch Wiesen, Wald und Landschaft zu wandern, dabei die frische Luft einzuatmen, das Gefühl zu haben, der Natur ein Stückchen näher zu sein. Die Vögel zwitschern, die Bäume wiegen sich im leichten Sommerwind. Dem Wald und seinen Geräuschen zuhören. Innere Ruhe verspüren. Eins mit der Natur werden. Bei mir werden dabei so viele Sinne angesprochen, dass ich hier manchmal Zeit und Raum vergesse. Und manchmal merke ich dabei gar nicht, dass ich mich eigentlich zum Fotografieren auf diese Wanderung begeben habe. Genau, ich wollte ja fotografieren. Und ja, irgendwann schaue ich dann auch durch den Sucher meiner Kamera und drücke den Auslöser. Langsam und bedacht. Ein Foto, zwei Fotos. Ich gehe weiter, mache mich wieder auf den Weg. Dabei spielt es für mich keine Rolle, wo dieser Weg mich hinführt oder wo er enden wird. Ich laufe einfach so lange, bis ich etwas mit meinen Augen gesehen habe, das mich anlacht, eine satte grüne Waldlichtung, durch die lichten Baumwipfel eine große weiße Wolkenformation – ganz egal was, Hauptsache es berührt in diesem einen Moment meine Seele.
Dieses Wandern, Suchen-und-Finden-Spiel habe ich auch schon einen ganzen Tag betrieben und nicht ein einziges Foto dabei geschossen. Vielleicht, weil es nicht die richtigen Motive gab oder weil ich an diesem Tag einfach keinen Zugang von meinem Innersten zu meiner Umgebung herstellen konnte. Wenn die Phase meiner inneren Leere und des inneren Rückzugs beginnt, dann habe ich meine Kamera wochenlang nicht in der Hand. Kann mit dieser kleinen oder großen schwarzen Box in keinster Weise etwas anfangen. Dann habe ich mich auch schon dabei erwischt, wie ich innerlich eine Anzeige bei den Kleinanzeigen geschrieben habe: „Fotoausrüstung günstig abzugeben!“ Meine eigenen Fotos, die ich vor ein paar Tagen noch angeschaut habe und die mir ein zartes Lächeln der Zufriedenheit in mein Gesicht gezaubert haben, widerten mich an und ich könnte sie alle löschen. Manchmal ist Fotografie einfach eine Ablenkung vom Alltag. Meinen Kopf auf andere Gedanken bringen, mich mit einem Medium beschäftigen, das mir liegt und wobei ich die Zeit vergessen kann. Es gibt jedoch Tage, an denen die Fotografie einfach etwas mehr für mich ist. Wenn ich mir ganz bewusst Zeit und Muße nehme, meine Gedanken nicht auf Ablenkung richte, mit meinen Gedanken voll bei der Sache bin, zentriert in mir ruhe und der Weg zu meinen Fotos der Anfang von einem Ziel ist – ja, dann bin ich in einem inneren Zustand der achtsamen Fotografie. Ich spüre dies auch am Ergebnis, am fertigen Bild, da ich hier dann tief in meine Seele schauen kann. Wenn in einem Bild sich dann schwarze Schatten und tiefe Kontraste
mit hellen und weißen Elementen kreuzen und finden, dann kann ich mich wieder sehen – vielleicht sehe ich dann auch klarer meine Krankheit. Ich kann aus diesem achtsamen und meditativen Vorgang für mich Kraft ziehen, kann auch Alltagsdinge verarbeiten. Was ich bis jetzt jedoch noch nicht gefunden habe, sind Antworten – Antworten auf meine inneren Fragen!
Was ich in den letzten Jahren bei mir feststellen konnte, ist, dass ich nach meinem Findungsweg zu – meiner – meditativen Fotografie einen anderen Bezug zum Sehen entwickelt habe. Ich nehme in meiner Umwelt sensibler Dinge wahr, schaue bewusster Formen und Strukturen an und ich sehe ganz andere Zusammenhänge, die ich so vor ein paar Jahren noch nicht gesehen habe! Welche Facetten kann eine Waldlichtung haben? Hier ändern sich, je nach Jahreszeit und Wetter, der Himmel und die Bäume minütlich. Sogar der innere Bezug kann sich für mich hier minütlich ändern. War es zu Beginn meines Sehens noch eine sehr verhaltene innere Freude, kann es sich durch das Aufziehen von weißen voluminösen Wolken in ein kleines seelisches Freudenfeuerwerk wandeln.
Sitzen. Ruhen. Zentrieren. Sehen. Auslösen. Das ist für mich ein ganz anderes Erleben und Empfinden – meiner – Fotografie. Es passiert dabei manchmal etwas Magisches. Ich erlebe nach dem Auslösen eine wohlige Wärme in mir und ich fühle mich durch und durch gut. Kann dabei auch mal Raum und Zeit vergessen und eine leise Stimme sagt mir dann auch öfters, dass für mich nicht das Foto mein primäres Ziel ist, sondern mein
Weg – mein eigener Weg – zu meinem Foto. [ Text und Bild © Marco Völzke - archipixel, Juni / September 2018 - Gastautor für kwerfeldein ]